Sonntag, 15. April 2012
Erste Reise: Yunnan
steffen1985, 13:07h
Na, das Bild ist doch mal ein netter Einstieg oder? :-)
Wie bereits berichtet, hatte meine erste Arbeitswoche satte 7 Arbeitstage hintereinander. Grund dafür war der "Tomb Sweeping Day" in China. Ein Feiertag, um die Gräber der Familien zu pflegen.
In diesem Jahr lag der Feiertag auf dem 04.04., also einem Mittwoch. Daher hat man kurzerhand das Wochenende auf Montag und Dienstag verschoben, um drei zusammenhängende freie Tage zu haben.
Die Tage habe ich genutzt, um gleich mal nen richtig komplizierten und weiten Trip zu den Reisterrassen von Yuanyang in der Provinz Yunnan zu unternehmen. Diese sollen besonders schön sein, wenn sie mit Wasser geflutet sind, was wohl nur bis ca. Mitte April der Fall ist.
Anbei die Reiseroute:
Wie man sieht, war ich am Ende nur ca. 100km von Vietnam und vielleicht 200km von Laos entfernt.
Von Hangzhou in der Provinz Zhejiang ging es mit dem Flieger nach Kunming, der Hauptstadt der Provinz Yunnan.
Ein Direktflug dauert satte 3h! In der Zeit ist man von Berlin bis in die Türkei geflogen... Ich bin sogar noch "indirekt" geflogen, da die Direktflüge alle teurer waren. In meinem Fall heißt das, dass mein Hin- und Rückflug noch jeweils einen Zwischenstop eingelegt haben, wo es dann mit dem selben Flieger weiter zum Ziel ging. Dadurch hat allein der Flug 4h gedauert...
Die Reise ging schon mal gut los. Wollte Sonntag abend (01.04.) direkt vom Büro zum Flughafen und dann halt den Flieger nehmen. Der hatte dann leider auch noch eine Stunde Verspätung. Ich war dann erst ca. halb zwei morgens in Kunming im Hostel.
Das Hostel war echt cool, da sind n paar spannende Leute gewesen. Hab einen amerikanischen Schriftsteller getroffen, der grad einen Monat in Burma (Birma/Myanmar/wieauchimmer) war, um den demokratischen Wandlungsprozess dort zu beobachten.
Der Plan sah vor, von Kunming aus den Bus (ca. 6,5h) direkt nach Xinjie (der zentrale Ort in der Region Yuanyang) zu nehmen, der morgens um 10:20 Uhr abfährt. Hab dann auch morgens erstmal gefragt, ob ich das Ticket für den Bus direkt im Hostel kaufen kann, alles kein Problem!
Also erstmal gefrühstückt und geduscht und um 09:20 Uhr wollte ich dann das Ticket kaufen und drum bitten mir ein Taxi zu bestellen.
Tja, leider hat die liebe Dame mir um 8 Uhr nicht sagen können oder wollen, dass man mit dem Taxi eine Stunde zum Busbahnhof braucht und ich daher keine Chance hätte, den Bus noch zu kriegen...
Die Lektion lautet also: In China IMMER alle relevanten Informationen erfragen, niemals darauf hoffen, dass man ungefragt wichtige Informationen zu Reisen erhält...
Die anderen beiden Direktbusse fuhren erst abends ab, ich wäre dann morgens um 2 oder 3 Uhr angekommen, was natürlich auch bekloppt ist. Also bin ich zur Bushaltestelle und hab ein Ticket zu nem Ort auf halbem Weg gekauft, um von dort weiterzufahren.
Im Übrigen habe ich dann auch noch meinen Reisepass im Hostel vergessen (die wollten den über Nacht als Pfand haben). Weder ich Depp noch die Hotelangestellten haben dran gedacht... Ganz klasse, denn eigentlich muss man sich immer mit seinem Visum ausweisen können und kann i.d.R. auch nur mit Reisepass in Hotels einchecken... Ist mir aber natürlich erst aufgefallen, als ich im Bus saß. Hab dann bei Ankunft im Hostel angerufen und gesagt, dass ich ihn 2 Tage später abhole und bin dann das Risiko eingegangen und weitergereist, sonst wär die Reise völlig für die Katz gewesen.
Reisen ist echt nicht so einfach.
Ticketkauf funktioniert derzeit so, dass ich den Leuten den chinesischen Namen des Ortes in meinem Reiseführer zeige und mit der Hand zeige, dass ich genau ein Ticket möchte. ;-)
Und auch die Busse selbst haben nur die chinesischen Ortsnamen im Fenster stehen.
Außerdem war es wegen den Feiertagen rammelvoll, an solchen Ferien verreist scheinbar ganz China:
Na ja, jedenfalls wars sauanstrengend und kompliziert und durch die Reisepassgeschichte natürlich auch ein bisschen belastend für die Nerven! ;-)
Bin dann jedenfalls 4h in einem Schlafbus nach Jianhui gefahren. Schlafbus heißt: Der Bus hatte keine Sitze, sondern drei Reihen mit Betten (jeweils eins unten, eins oben). Eigentlich wohl eher für die Nacht gedacht...
Klo hatte der Bus natürlich keins und ich wusste auch nie, wann er anhält für Pinkelpausen...
In Jianhui (ausgesprochen Jiähui wobei das h so wie das "ch" in Rachen ausgesprochen wird) angekommen wurde mir jedenfalls mitgeteilt, dass es keinen Direktbus mehr nach Xinjie gibt (没有 - méi yǒu - haben wir nicht -> ganz wichtiger Satz, den man öfter hört in China). Es gab nur noch einen nach Nansha (ca. 1h vor Xinjie), den hab ich dann genommen. Das war dann so ein Minibus, der auch nochmal 4h über Serpentinen durchs Gebirge ist.
So ein Bus transportiert übrigens alles. Am Busbahnhof wurden auf den Nachbarbus zwei oder drei Säcke mit lebenden (!) Hühnern gepackt!
Wir müssen definitiv auch Hühner auf unserem Dach gehabt haben, es kam nämlich ab und zu ein Schwung Federn runter...
Ansonsten hatte ich riesiges Glück. Habe am Busbahnhof von Jianhui zwei chinesische Mädels getroffen, die ebenfalls zu den Reisterrassen wollten und ganz gut Englisch konnten (konnte in Yunnan nämlich an für sich kein Schwein).
Daher hab ich mich den gesamten restlichen Trip einfach an die beiden Mädels gehalten und alles mit denen zusammen gemacht. War für mich natürlich gut, weil die dann immer alles diskutieren und klären konnten und für mich in Hotels eingecheckt haben (so dass eben niemand nach meinem Reisepass gefragt hat) und gleichzeitig konnten wir uns dann einige Kosten teilen (am Dienstag hatten wir uns ein ganztägiges Taxi für die Reisterrassen genommen).
Die beiden waren echt cool und super hilfsbereit. Ohne die wär der Trip sicher noch schwieriger und anstrengender geworden als ohnehin schon.
Na ja, jedenfalls sind wir dann ca. halb zehn abends in Nansha angekommen, wo nur noch ne übelste Absteige frei war... Das einzig Positive an dem "Hotel" war der Preis. Es hat nach kaltem Rauch gestunken, Spinnenweben an der Decke... Na ja, muss nicht nochmal sein... ;-)
Jedenfalls gings dann am Dienstag morgens nach Xinjie und dort haben wir uns dann ein Taxi genommen, um einige der Reisterrassen zu sehen. Diese sind dort an verschiedensten Berghängen in verschiedenen Dörfern zu finden.
Leider hat Wikipedia keinen Artikel zu Reisterrassen im Allgemeinen. Daher hier eine ganze kurze Erklärung. Reis ist natürlich in China (vor allem im Süden) DAS Nahrungsmittel schlechthin und das seit Jahrtausenden. Daher haben schon früh Völker effiziente Möglichkeiten des Reisanbaus auf kleiner Fläche erforscht. Dabei werden quasi große Treppenstufen (=Terrassen) in Berghänge gehauen und dort Reis angebaut. Die Terrassen können dann geflutet, also unter Wasser gesetzt werden, da Reis viel Wasser benötigt. Das Ganze ist ziemlich ausgeklügelt. Oberhalb der Terrassen gibt es Wälder als Wasserspeicher und es werden kleine Kanäle angelegt, um alle Terrassen gleichmäßig versorgen zu können. Je nach Witterung kann dann sogar 2-3 im Jahr geerntet werden.
Der einzige Nachteil: Grad in Yuanyang ist es durch die Berglage wohl sehr oft neblig. So auch bei meinem Besuch. Eine richtig brillante Sicht hatte man daher leider nicht, auch wenn der Nebel natürlich auch eine tolle Stimmung vermittelt. Alles in allem aber wirklich sehr sehr beeindruckend!
An einer Stelle konnte man dann auch mal zwischen Reisterrassen herumlaufen:
Hier sieht man in der Bildmitte dann auch mal, wie es aussieht, wenn der Reis erntereif ist. Dann ist das Terrassenfeld richtig satt grün.
Hier wird übrigens wirklich noch knochenharte physische Arbeit betrieben. Wasser wurde wie im Mittelalter in zwei Eimern an einer Stange auf der Schulter transportiert. Wackersteine, Holz, etc. wurde teilweise in Körben auf dem Rücken von der Straße aus irgendwo hingeschleppt. Und die Feldarbeit wird mit einfachen Geräten und Wasserbüffeln betrieben. Dementsprechend "verbraucht" sahen ältere Menschen in der Gegend auch aus, die waren einfach gezeichnet von jahrelanger harter, körperlicher Arbeit.
So konnte man dann öfter mal kleine Herden an Wasserbüffeln wandern sehen:
Und wie neblig es war, sieht man hier besonders gut:
Schönes Auto!
Nachmittags sind wir dann zu einer anderen Stelle gefahren. Besonders beeindruckend sollen die Reisterrassen bei Sonnenauf- und -untergang sein, wenn sich das Sonnenlicht im Wasser spiegelt und alles glitzert. Daher sind wir zu einem Ort gefahren, wo man den Sonnenuntergang sehr gut sehen kann.
Wie immer waren wir nicht alleine... Massenhaft Chinesen, hochgerüstet mit modernsten Kameras mit gigantischen Objektiven (eins war sicher 40cm lang) oder aber, und das war natürlich noch viel cooler, einfach mit dem iPad in der Hand...
Leider war die Sicht aber eher mäßig und man war auch ziemlich weit über den Terrassen, so dass diese sehr weit weg erschienen. Und es hat eben kaum die Sonne geschienen an dem Tag, was sehr schade war.
Wer Glück hat und an einem wolkenfreien Tag hier ist, wo die Sonne von allen Terrassen gespiegelt wird, der hat sicherlich eine unvergessliche Aussicht. Irgendwann kam dann doch noch die Sonne wenigstens ein bisschen raus und dann ahnt man schon, warum es bei Sonnenuntergang so schön sein soll.
Zum Abschluss noch ein paar Bilder von Xinjie selbst. Denn das Dorf liegt durch aus beeindruckend auf einem Berg.
Tai-Chi-Übungen am Morgen:
Am Mittwoch morgens gings dann wieder mit dem Bus (diesmal direkt) in 7h nach Kunming zurück. Dort dann nochmal ins Hostel und Reisepass abgeholt und dann zum Flughafen. Hab in Yuanyang übrigens auch andere deutsche Studenten getroffen, die wurden auf ihrer Busfahrt 3x kontrolliert. Nicht allzu ernsthaft, aber manche von Ihnen mussten ihren Reisepass zeigen. Möchte gar nicht wissen, wie das ausgegangen wäre... :)
Daheim in Hangzhou war ich dann um ein Uhr morgens...
Empfangen wurde ich von einer Wohnung, in der kein Bettzeug war (war ja erst Sonntag in die Wohnung gekommen und konnte nichts kaufen). Außerdem hatte mein Vorgänger super Stromverbrauch geplant, der war dann nämlich alle. Kühlschrank abgetaut, kein Licht, keine warmes Wasser aus dem Boiler...
Alles in allem war die Reise echt sauanstrengend, das muss man schon sagen. Würde auch vermutlich niemandem ohne Chinesischkenntnisse empfehlen, das als erste Reise zu machen. Allerdings wollte ich die Terrassen eben unbedingt sehen, solange sie noch geflutet sind und es hat sich auch gelohnt, finde ich.
Und ich kann es ja positiv sehen: Jetzt bin ich vermutlich abgehärtet. ;-) Und eine SO komplizierte Reise mit soviel An- und Abreisezeit bei so wenig Besuchszeit (im Endeffekt ja nur der Dienstag) ist auch nicht nochmal geplant, alle anderen Ziele sind wesentlich besser zu erreichen (Tibet vielleicht mal ausgenommen).
Auch aus anderem Grund fand ich die Reise sehr gut. Ich habe jetzt mal einen viel besseren Gesamteindruck von China. Die Reise nach Yunnan war ein krasses Kontrastprogramm zu den auf Hochglanz polierten Städten wie Hangzhou oder Shanghai. Die Unterschiede sind wirklich gewaltig und man kam sich vor wie in einer anderen Welt. Sobald man aus Kunming raus war, war man wirklich in der dritten Welt. Alte Fabriken, die "Umweltverschmutzung" geradezu auf ihrem Schornstein geschrieben hatten. Viele Menschen, die wirklich noch hart körperlich arbeiten und auch entsprechend aussahen. Vielfach eine schlechte Versorgung mit Wasser und Strom. Kinder, die sich zum Sch****** an den Straßenrand hocken... Da versteht man dann schon, was es heißt, dass die Unterschiede in China einfach gewaltig sind. Allerdings muss man den Chinesen anrechnen, dass sie sich auch im Landesinneren um Verbesserung bemühen. Ich persönlich würde jedoch andere Prioritäten setzen: Handyempfang hatte man nämlich schon überall!
Zur Veranschaulichung mal eine Karte bei Nacht. Da sieht man sehr deutlich, wo die meisten Menschen leben und wo die Entwicklung bereits gut vorangeschritten ist. Gut sieht man aber auch, dass Tibet sehr dunkel ist und am krassesten finde ich eigentlich die Kontraste zwischen China, Südkorea und Japan auf der einen und Nordkorea auf der anderen Seite.
Alles in allem also ein anstrengender, aber interessanter und lehrreicher Trip!
In der Zeit nach der Reise habe ich mich erstmal um meine Wohnung gekümmert, eingekauft, geputzt, etc.
Am Dienstag geht es nun für eine Woche nach Chengdu (dort bauen wir derzeit unser zweites Chinawerk auf). Das sind auch wieder 2h 45min Flugzeit...
Habe dadurch auch wieder eine 6-Tage-Woche vor mir, da ich kommenden Samstag an einer Jobmesse teilnehmen soll. Werde aber auch versuchen, mir mal ein bisschen was von der Umgebung anzusehen.
Viele Grüße!
... comment