Samstag, 4. August 2012
Chinesisch lernen ist leicht...! (und andere Sachen)
Tjaja, starke Behauptung oder?

Teilweise stimmt's sogar.
Die chinesische Grammatik ist echt supereinfach.
Sehr systematisch, wenige Ausnahmen und vor allem: Verben existieren nur im Infinitiv, sie werden schlicht nicht konjugiert.

Es heißt also z.B.:
Ich sein Deutscher.
Du sein Deutscher
Er/Sie/Es sein Deutscher
etc. pp.

Wer mal eine Fremdsprache gelernt und die Konjugation von Verben gebüffelt hat (deutsch selbst ist sicher nicht die lernfreundlichste Sprache), der weiß das sehr zu schätzen!

Aber auch Satzstrukturen sind recht klar und eindeutig, es herrscht immer die Stellung Subjekt, Prädikat, Objekt (in der Reihenfolge) vor.
Und Verneinungen oder Zeitangaben werden ganz einfach integriert und auch immer an der selben Stelle.

Ich nicht sein Deutscher.
Du nicht sein Deutscher.
Gestern ich nicht sein Deutscher. (macht jetzt inhaltlich natürlich nicht viel Sinn, ist aber mal egal).

Also, das ist wirklich angenehm.

Was die Sache schwieriger macht, sind zum einen die Ausspracheregelungen. Die chinesische Sprache kennt nämlich bei den Vokalen vier Tonarten.
1. Ton: gleichbleibend monoton; Zeichen: ā
2. Ton: aufsteigende Betonung (höhere Stimme); Zeichen: á
3. Ton: Erst sinkend, dann wieder ansteigende Stimme; Zeichen: ǎ
4. Ton: absteigende (tiefer werdende) Stimme; Zeichen: à

Und es gibt durchaus Wörter, die in der Lautsprache absolut gleich geschrieben werden und sich eben nur durch den Ton unterscheiden und eine vollkommen andere Bedeutung haben können.
z.B.
Bā (八): die Ziffer "Acht"
Bá: scheint es nicht zu geben
Bǎ (坝): Meint z.B. einen Deich oder Staudamm
Bà (霸): "herrisch" oder "anmaßend"

Die Chinesen sprechen natürlich sowieso sehr schnell, sodass sich die Bedeutung eines Wortes meines Erachtens eher aus dem Kontext übergibt, zumindest für uns. Wenn sie aber langsam sprechen (z.B. um mir was beizubringen), achten sie schon penibel auf die Töne.

Und was das ganze dann natürlich riiiichtig schwierig macht, sind die Symbole. Ich bin hier quasi Analphabet, man kann halt nichts lesen. Für mich echt ein Problem, weil ich ein ziemlich visueller Lerntyp bin und Vokabeln oft vor meinem geistigen Auge sehe oder nachschlagen können muss (was natürlich gar nicht geht).
Insgesamt gibt es laut Wikipedia ca. 87.000 Schriftzeichen. Um im Alltag zurechtzukommen und z.B. einen Zeitungsartikel inhaltlich verstehen zu können, braucht man ca. 3.000 Zeichen.
Ein Zeichen ist nicht mit einem Buchstaben in unserem Alphabet zu vergleichen, sondern hat eher Silbencharakter.
Hangzhou z.B. schreibt sich 杭州.
Lanzhou schreibt sich 兰州.

Die Logik hinter den meisten Symbolen raffen inzwischen auch die meisten Chinesen nicht mehr, manche sind ja mehrere hunderte oder gar tausende Jahre alt.
Manchmal kann man noch die Denkweise von damals erkennen oder auch eine gewisse Logik.

Das Zeichen für männlich ist z.B. 男 (Lautsprache: nán).
Hier steht der Kopf im Vordergrund, der die Form eines kleinen Ackerfeldes hat. Hier spiegelt sich also die Rolle des Mannes als Ernährer der Familie wider.
Das Zeichen für weiblich ist 女 (Lautsprache nǔ).
Hier steht der Bauch in der Mitte im Vordergrund, es spiegelt sich wider, dass die Frau die Kinder gebährt.
Alice Schwarzer würde da wahrscheinlich ausflippen, aber so war die Denkweise ja nunmal weltweit über tausende von Jahren.

Anderes Beispiel:
Wasser: 水 (shuǐ)
fließen: 流 (liú)
Wasser fließt bekanntlich. Hier kann man jetzt durchaus eine Logik erkennen.
Denn das Symbol von "fließen" taucht auch in den Symbolen von Fluss 江 (jiāng), See 湖 (hú) und Meer 海 (hǎi) auf.
Der Jangtse-Fluss ist z.B. im chinesischen eigentlich 長江 (cháng jiāng), was übersetzt ganz simpel "langer Fluss" bedeutet.
Der Westsee in Hangzhou heißt schlichtweg 西湖 (xī hú). Wobei noch zu erwähnen ist, dass das "h" im chinesischen eher wie unser "ch" in "Sache" ausgesprochen wird.
Und der Name der Insel "Hainan" leitet sich vermutlich vom chinesischen Wort für "Meer" ab.

Teilweise kommen dann eigentlich auch echt süße, witzige Erkenntnisse zu tagen.
Eisenbahn heißt z.B. 火车 (huǒchē). Wörtlich übersetzt heißt es "Feuerwagen", kommt vermutlich also von den alten Dampfloks her.

Mein Chinesisch hat sich in den letzten 5 Monaten zugegebenermaßen kaum verbessert. Es langt halt, um dem Taxifahrer meine Straße zu sagen. Aber ich war dann einfach nicht motiviert, mich abends oder am Wochenende noch hinzusetzen und die Sprache zu büffeln... Und die Lernfortschritte gehen hier schon langsamer voran, wenn man sich bemüht. Ich würde sagen, nach einem Jahr (mit entsprechender Disziplin) kann man im Alltag einigermaßen gut überleben, Essen bestellen, nachfragen, etc. Für flüssiges Reden und Diskutieren sind eher 2-3 Jahre notwendig.

Ansonsten vielleicht mal was zum Essen in China.
Also, Hund habe ich hier noch nicht gegessen. Wird angeblich nur im hohen Norden verspeist. Dafür haben sie mich in Chengdu aber mal gefragt, ob ich die Kehle von irgendnem Viech essen will...
Prinzipiell ist das Essen in China KOMPLETT anders als bei unserem Chinesen in Deutschland. Hähnchen süß-sauer sucht man hier vergebens.
Die Chinesen lieben es zu knabbern. Daher würden sie ein saftiges Hähnchenbrustfilet immer links liegen lassen, wenn daneben auch n paar Hühnerfüße liegen, die vielleicht zu 10% aus Fleisch bestehen. Habe mal die These gelesen, dass die Chinesen aufgrund häufiger und wirklich großer Hungersnöte einfach dazu verdammt waren, jeden Fetzen Fleisch zu essen. Und heute mögen sie es eben auch einfach.
Ergebnis ist jedenfalls, dass eigentlich immer komplette Geflügel (z.B. Hühner inkl. Kopf, Augen, Kamm, Flügeln und Füßen) aufgetischt werden. Genauso wird der komplette Fisch inkl. Augen und Flossen hingestellt.
Damit aber jetzt kein falscher Eindruck entsteht: Hauptsächlich essen die Chinesen gar nicht unbedingt Fleisch, sondern eher Reis (im Süden) oder Nudeln (im Norden) und Gemüse.
Dass die Chinesen sich recht gesund ernähren, sieht man auch. Man sieht nämlich nur sehr selten dicke Erwachsene. Die meisten Chinesen (v.a. die Frauen) sind wirklich schlank, oft sogar regelrecht dünn. Aber auch hier sieht man ja inzwischen sehr oft KFC, McDonalds, Pizza Hut und Co, was man vor allem den Kindern ansieht. Allzu viele dicke Kinder sieht man zwar noch nicht, aber man sieht deutlich häufiger dicke Kinder als dicke Erwachsene.

Mir persönlich liegt das chinesische Essen nicht so sehr (allerdings ist unsere Kantine auch generell nicht so der Hammer). Ich will halt Fleisch! Und nicht 50% Knochen, 40% Fett und 10% Fleisch. Aber auch die Art der Zubereitung und der Würzung ist halt oft einfach nicht mein Geschmack. Na ja...
Gibt aber natürlich auch Ausnahmen. Vor allem der Nudelmann in der Nähe meiner Wohnung ist der Hammer! Der bereitet sogar den Nudelteig frisch zu, klopft ihn, schneidet daraus die Nudeln und kocht sie dann. Und das mit allerlei leckeren Zutaten, sei es Fleisch oder Gemüse. Wirklich hammer. Jeder, dem ich den Laden gezeigt habe, war begeistert. Und für ca. 1,50€ ist man pappsatt.
Hier mal ein Bild. Das sind jetzt einfach Nudeln mit Rindfleisch, Zwiebeln und grüner Paprika sowie ner pfeffrigen Suppe. Und wie gesagt absolut frisch zubereitet:


Auch cool sind natürlich die Straßenstände, wo man sich einfach aufgespießtes Essen aussuchen kann und das wird dann zubereitet. Darüber hatte ich ja in meinem allerersten Blogeintrag schon mal berichtet:



Irgendwelche Spezialitäten hat dabei fast jede Provinz. In Chengdu ist es eben z.B. der erwähnte Hotpot. Eigentlich isses wie Fondue. Bei uns war die Schale in zwei Hälften eingeteilt (eine eher mildere Sauce, eine schärfere Sauce). Und da werden dann einfach Spieße mit allem möglichen (Fleisch mit und ohne Knochen, Gemüse, Viecherkehlen...) eingelegt und geköchelt.


Wenn man übrigens in Restaurants Fisch essen will, läuft das meist wie hier. Die Fische werden lebendig in winzigen Aquarien gehalten und man kann sich dann den Fisch aussuchen und hat ihn später (natürlich komplett) aufm Tisch.

Kann man natürlich verurteilen. Aber ob wir da wirklich tierfreundlicher mit unserer Massenproduktion und -schlachtung sind, bezweifle ich mal.

Tja, und wenns mal blöd läuft, bestellt man abends was, was auf der Karte gut aussieht und stellt dann so fest, dass da n verdammter Hühnerfuß aufm Teller liegt:


Ansonsten: Dies ist bereits mein letztes Wochenende in Hangzhou... :o
Die Zeit rast nur so dahin. Daher ist vielleicht auch mal ein kleines Fazit angebracht.
Kurz gesagt: Für 6 Monate ist in China natürlich sehr spannend und faszinierend und lehrreich. Ich könnte hier aber nicht für 2-3 Jahre leben.
Spannend ist natürlich, dass so ziemlich ALLES anders ist. Die Leute, die Sprache, das Verkehrschaos, der krasse Unterschied zwischen hochmodernen, schicken Städten und ärmlichen, aber wunderschönen ländlichen Regionen, die unterschiedlichen Kulturen und Ethnien innerhalb des Landes, etc.
Ich hab die Zeit ja recht intensiv genutzt und eigentlich fast alles gesehen, was ich sehen wollte.
Wegen einer Städtereise braucht eigentlich niemand nach China zu kommen. Klar, der Westsee ist schon nett. Aber letzten Endes ist es einfach ein See... Shanghai ist schon krass und sehenswert und zum Shoppen sicher auch gut. Aber wirklich beeindruckend ist nur die Skyline und der Blick von oben. Dafür muss man nicht 3 Tage in der Stadt bleiben. Peking ist eher unhübsch und "nur" wegen Sehenswürdigkeiten wie der verbotenen Stadt und der Mauer eine Reise weit. Generell ist es also eher die Geschichte, die einige chinesische Städte sehenswert macht, weniger die Stadt an sich (Berlin, London, New York, etc. sind ja durchaus auch wegen ihrem kosmopolitischen Flair interessant).
Aber die Landschaften in China sind der Hammer. Die Karstberge von Guilin waren unfassbar beeindruckend. Die Reisterrassen von Longsheng und vor allem Yuanyang sind wirklich wunderschön. Und viele andere Landschaften, die sehr beeindruckend sein sollen, wie das gelbe Gebirge oder Tibet, konnte ich ja nicht mal besuchen. Also, landschaftlich ist China sicher eine Reise wert.

Meine Topliste:
1. Karstberge von Guilin
2. Reisterrassen von Yuanyang in Yunnan
3. die chinesische Mauer
Danach würde wahrscheinlich Shanghai mit der Skyline bei nacht und der Sicht von oben kommen. Der Rest läuft eher unter ferner liefen. ;-)

Für einen längeren Aufenthalt muss man aber eben auch mit der Kultur klarkommen. Und die stößt mir manchmal schon auf. Dass China 1,3 Milliarden Menschen hat, hat einfach viele Nachteile. z.B. das Verkehrschaos. Hier muss man schon ziemlich aufpassen, stumpft aber gleichzeitig total ab, wenn man zum 100. mal eigentlich sinnlos angehupt wird. Eigentlich ist es auch falsch, das ganze als Verkehrs"chaos" zu bezeichnen. Es ist halt Fakt, dass hier außer roten Ampeln keine Verkehrsregeln existieren, jeder ist sich selbst der Nächste. Das funktioniert nicht schlechter als in Deutschland. In Deutschland passieren Unfälle eben, weil doch mal jemand bewusst oder unbewusst ne Regel missachtet hat und wir uns aber drauf verlassen, dass jeder die Regeln beachtet. In China passieren Unfälle eher, weil doch mal jemand gepennt hat oder einfach keiner von beiden nachgeben wollte. Das Problem ist nur, dass bei allen Unfällen, die ich bisher gesehen habe, IMMER mindestens ein Moped beteiligt war. Und in 5 Monaten habe ich hier ganze zwei Mopedfahrer mit Helm gesehen... Teilweise ist das echt lebensmüde, was die hier machen.
Und das Hupen ist manchmal auch hilfreich und soll meistens einfach sagen "Achtung ich komme und ich bin nicht bereit für irgendeinen Penner zu bremsen!"

Gleichzeitig führt die Bevölkerungsmasse zu einem gewissen Ohnmachtsgefühl. Das kann man schon gut verstehen. Welchen Einfluss hat man schon als Einzelner bei 1,3 Milliarden Mitbürgern?? Das führt aber eben dazu, dass niemand mit gutem Beispiel vorangehen will und sich alle nur auf die anderen und vor allem die Regierung verlassen. Niemand will die Ellbogen einfahren und am Ende benachteiligt sein. Siehe meine frühere Beschreibung der Boschkollegin, die sich beschwert, dass niemand, auch nicht die Regierung, auf die Umwelt achtet und die 5 Minuten später den geleerten Kaffeeplastikbecher gegen einen Baum schleudert. Eine bessere Symbolik kann es gar nicht geben...
Dabei sind die Chinesen in manchen Dingen schon viel weiter als wir. Das elektronische Moped ist hier längst allgegenwärtig und Massenware. Selbst vorm Wal-Mart finden sich Ladestationen.
Trotzdem führt das Ohnmachtsgefühl eben dazu, dass sich viele nen Scheiss um die Umwelt oder andere kümmern (bei nem Unfall fahren 90% einfach weiter, die anderen 10% gaffen nur, machen aber nix).
Anderes Beispiel: Essstäbchen solle man im Restaurant niemals einfach auf den Tisch legen, weil der Tisch eventuell etwas bakterienverseucht ist. Aber auf die Idee, vielleicht sämtliche Essensreste, Knochen, etc. NICHT einfach auf den Tisch oder Boden zu rotzen, sondern wenigstens auf nen Teller... Darauf kommt keiner.
Und natürlich ist auch die Zensur spürbar und ein Problem. Ich habe einfach keine Lust gehabt, mir für 5 Monate nen VPN-Zugang zu besorgen/zu kaufen, um Zugriff auf Facebook, Youtube & Co. zu haben. Habe halt drauf verzichtet.
Man kann ja nicht mal nach "China und Facebook" googeln, dann funktioniert plötzlich auch Google für ein paar Sekunden nicht mehr... Oder eben die Tatsache, dass Tibet ohne Angabe von Gründen für Ausländer gesperrt wurde.

Wie stark man solche Dinge bewertet, muss jeder selbst entscheiden. Mir persönlich liegen solche Dinge, vor allem in Kombination mit dem permanenten Rumgerotze und dem Essen (ich ernähr mich hier dadurch zwangsweise eher ungesund) eher nicht und ich könnte mir aufgrund dessen eben nicht vorstellen, länger in China zu leben. Shanghai sollte man von sowas immer etwas ausnehmen. Da leben so viele Ausländer, dass das Angebot echt ein anderes ist. Hat halt mit dem restlichen China so viel zu tun wie die Hotelkomplexe in Cancun mit dem restlichen Mexiko. Und nicht zuletzt ist die Sprachbarriere ein ENORMES Hindernis, dass ich so in Mexiko natürlich auch nicht hatte (auch hier ist Shanghai wieder die Ausnahme von der Regel, da hier viele Leute halbwegs Englisch können).

Soviel von mir. Ich hoffe, das war jetzt nochmal ein interessanter Beitrag für euch. Mir bleiben jetzt noch zwei Wochen im Büro.
Dieses Wochenende werde ich wohl schon packen müssen, da Freitag mein Zeug für den Luftfrachtversand abgeholt wird. Nächstes Wochenende gehts noch nach Hongkong und in 2 Wochen dann Uuurlaub. :-)
Und heute in 4 Wochen bin ich dann bereits wieder in Deutschland.

Viele Grüße

PS: Die Tage hats hier mal wieder geregnet (Taifun vor der Küste). Dadurch erfolgte ein regelrechter Temperatursturz auf unter 30°C. ;-) Luftfeuchtigkeit hat dafür aber an den 100% gekratzt... Yeaaahhhh ;-)

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